Seit es Blogger gibt werfen ihnen Journalisten vor sie seien käufliche Amateure ohne Ahnung und Stil. Blogger wiederum titulieren Journalisten gerne als ewiggestrige Sesselfurzer welche einer aussterbenden Rasse angehören die nicht mit der neuen Konkurrenz aus dem Web umgehen könne.
Das auch 17 Jahre nach den ersten Blog Posts die Gräben immer noch da sind hat sich letzte Woche mal wieder gezeigt.
Anlass war die Einladung von Swisscom an 80 digitale Meinungsführer (Blogger und andere Social Media Aficionados) um ihnen den Whats-App Konkurrenten Swisscom IO vorzuführen.
Schon am nächsten Tag waren auf Twitter erste beleidigte Kommentare von Journalisten zu lesen:
Was war passiert ? Die Swisscom hatte sich erlaubt, am Montag 24.6. Abends nur Blogger einzuladen und keine gestandenen Journalisten. Diese wurden erst am Dienstag via Pressemitteilung über die neue App informiert. Bis dann war diese App schon hundertfach heruntergeladen, ausprobiert und getestet worden von den Bloggern und ihren Kontakten welche sie via Twitter und Co. zum neuen Dienst einluden.
Heute Sonntag hat dann Barnaby Skinner in der Sonntagzeitung einen Artikel über die veränderte Kommunikation der Konzerne verfasst, wo er Blogger Kevin Kyburz vorwirft sich von Swisscom kaufen zu lassen.
Bevor ich euch hier gleich meine Meinung um die Ohren haue, schadet es nichts ein wenig über mich und meinen „Werdegang“ zu schreiben.
Ich habe 1993 beim Radio Förderband in Bern als Musikredaktor angefangen zu arbeiten, wurde schnell Redaktor und Moderator und blieb dort bis 2000 als Journalist. Danach habe ich eine Firma gegründet welche Radio und TV Journalisten neue technische Workflows erklärt, einrichtet und supportet (Viel IT Zeugs und spannende Gespräche).
Dort arbeite ich als Angestellter mit einem 60% Pensum noch immer (habe meine Anteile Ende 2009 verkauft). Daneben blogge ich hier seit 3.5 Jahren, schreibe ab und zu in verschiedenen Zeitungen und talke bei verschiedensten Radiosendern als Technik Experte oder Tech Evangelist wie das heute so schön heisst.
Übrigens hat mich Barnaby (der mich heute zu diesem Text animiert hat) vor einiger Zeit dazu gebracht auch mal für eine Zeitung zu schreiben. Mein erster Artikel in der Sonntagszeitung wurde von ihm gehörig zerpflückt und ich habe von ihm gelernt mein loses Mundwerk zu zügeln und der textlichen Stilistik mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Zum Glück muss ich das nur wenn ich für eine Zeitung schreibe, hier im Blog kann ich tun und lassen was ich will.
Genau da liegt in meine Augen eines der Missverständnisse zwischen Journalisten und Blogger. Während es vor allem der Print Journalist tunlichst vermeidet auch mal seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen, kann der Blogger ein Produkt auch mal in den Himmel loben. Umgekehrt darf der Blogger auch mal das Wort „Scheisse“ in die Tasten hauen wenn ihm ein Gerät nicht gefällt.
Der Stil macht hier die Musik, aber ich käme deswegen nie auf den Gedanken dem Blogger weniger Sachkenntnis zu unterstellen nur weil er schreibt was er denkt.
Das Problem vieler Journalisten mit diesen komischen Bloggern ist der Verlust der Deutungshoheit. Bis vor einigen Jahren waren Zeitungen und Radio DIE meinungsbildenden Medien schlechthin. Was dort stand musst wahr sein!
Heute lese ich zuerst auf Twitter was Sache ist und kann kurze Zeit später auf diversen Seiten lesen was der Verfasser davon hält. Erscheint das Thema am nächsten Tag noch in der Zeitung erwarte ich dort Tiefgang und Erklärungen, alles andere habe ich schon lange erhalten. Die Zeitung ist nur noch eine weitere Möglichkeit mich zu informieren, nicht mehr DIE Möglichkeit.
Der Print Journalist ist also nicht mehr der Einzige welcher mir etwas erklärt. Mit diesem Verlust der Meinungsführerschaft muss er erstmal klarkommen.
Natürlich sind einige Blogger käuflich. Eine schicke Einladung, ein netter Talk und man schreibt gerne positiv über das Erlebte. Andererseits geht es den Journalisten genau gleich. Auch sie sind diesen Verlockungen täglich ausgesetzt:
Wenn ich mit 3 gestandenen Print Journalisten auf Einladung von Samsung 4 nette Tage in Barcelona am MobileWorldCongress verbringe, muss nur der Blogger sich danach rechtfertigen wenn Samsung alles zahlt und ich auch darüber schreibe. Für die mitgereisten Journis ist es selbstverständlich sich davon nicht in ihrer Berichterstattung beeinflussen zu lassen.
Für mich ist das auch selbstverständlich und für viele andere Blogger ebenfalls. Das es auch unter den Kollegen der Printmedien schwarze Schafe gibt zeigt sich recht anschaulich (aber nicht nur) in der Reise und Autoredaktion. Ich empfehle dazu mal den Text von Florian Leu aus dem NZZ Folio im Februar zu lesen.
Meistens flammt der alte Konflikt zwischen Bloggern und Journalisten dann auf, wenn sich letztere ungerecht behandelt vorkommen. Hätte Swisscom letzte Woche auch Journis zum Tech Talk geladen wäre das alles kein Thema gewesen, jede Wette!
Konzerne lernen die Blogger schätzen. Dadurch erwächst den klassischen Medien eine neue Konkurrenz auf welche diese mitunter etwas säuerlich reagieren. Dabei spielt es keine Rolle ob der Blogger nun sauber alles offenlegt, seine Quellen verlinkt (was Zeitungen fast nie tun!) und sich Mühe beim Text gibt, sondern es geht einfach darum, dass diese Amateure plötzlich ebenfalls am Tisch der Information aus erste Hand Platz genommen haben.
Für den Konzern sind Blogger ohne Zweifel ein Gewinn. Statt einem dürren zwei-spalter in der Zeitung gibts im Web einen ausführlichen Artikel in Wort und Bild und oft sogar ein Youtube Video dazu. Der Konzern erhält also durch den Blogger mehr Aufmerksamkeit als durch die bisherigen Medien, und Aufmerksamkeit ist die Währung um welche alle im Netz kämpfen.
Auch der Hinweis Blogger seien samt und sonders Amateure ist definitiv überholt. Profi Blogger wie Caschy beweisen, dass man davon leben kann. Sein Tech Blog zieht monatlich 3.5 Millionen Besucher an und ist im Netz das was Computerzeitschriften früher für uns waren: Meinungsführer.
Anderes Beispiel ist Sascha Pallenberg welcher letzte Woche mit seinem AdBlock Plus Artikel eine der spannendsten Tech Stories dieses Jahres geschrieben hat. Er hat dafür wochenlang recherchiert und wurde inzwischen von vielen klassischen Medien zitiert.
Worin unterscheiden sich diese beiden bitte von „klassischen Journalisten“ ?
Was tun ?
Ich plädiere dafür, dass die beiden Lager (das sind sie leider immer noch) voneinander lernen. Warum fragt eine Zeitung nicht mal beim Blogger nach ob er etwas dort schreiben möchte. Sein technisches Know How ist meistens bestens und nur die wenigsten Zeitungen leisten sich eine eigene IT/Tech Redaktion.
Der Blogger kann vom Journalisten sauberes Arbeiten, Quellenpflege und Resistenz gegenüber den Verlockungen der Konzerne lernen.
Ich bin mir bewusst, dass dies leichter gesagt als getan ist. Mein Job ist weniger in Gefahr in den nächsten Jahren als derjenige des Print Journalisten da niemand weiss was mit Zeitungen passiert wenn alles immer schneller im Netz zu finden ist.
Fazit:
Der Text ist mit 1127 Wörtern viel zu lang für einen Zeitungsbeitrag, dazu strotzt er wohl von Rechtschreibefehlern.
Wisst ihr was? Das ist mir völlig egal, ich bin Blogger und bloggen heisst MEINUNG. Ungefiltert, direkt und schnell!
Wünsche noch einen angenehmen Tag und gehe jetzt an den Strand.
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